Kinderosteopathie

Die Kinderosteopathie beinhaltet drei wichtige Aspekte bezogen auf die Behandlung von Kindern. Diese sind:

  • die anatomischen, entwicklungsbedingten und körperlichen Besonderheiten beim Baby, Kleinkind, Kind, Schulkind und Jugendlichen.
  • die familiäre Konstellation und die Miteinbeziehung der Familie in die Behandlung und
  • die Konstitution sowie die Anlagen des Kindes.

Mein grundsätzliches Anliegen in der osteopathischen Behandlung ist, dass die Eltern ihr „Eltern sein“ genießen können und dass das Baby sein „Baby sein“ genießen kann. Wie Dr. Frymann, die Entwicklerin der Kinderosteopathie, immer wieder in Ihren Kursen betonte, geht es primär darum das Potential eines Kindes zu fördern und dass das innewohnende Potential sich entfalten kann, so wie eine Blütenknospe, die sich öffnet. Ein Baby, das sich vor Koliken in seinem Schmerz krümmt und gefangen ist, kann dieses wahrhaftig nicht und auch die Eltern, die vor Sorge, Erschöpfung und an der Grenze ihrer Kraft sind, können ihr Eltern sein auch nicht genießen.

Grundsätzliche empfehle ich das Kind nach der Geburt zu untersuchen und in den verschiedenen Lebensabschnitten zu unterstützen.

Einige weitere Indikationen für die Behandlung sind:

  • Schwallartige Erbrechen
  • Unruhe
  • Verdauungsstörungen
  • Bewegungseinschränkungen der Kopfbeweglichkeit und einseitige Lagen
  • Entwicklungsverzögerungen egal welcher Art
  • Kopfverformungen
  • Stürze, Prellungen, Quetschungen, Brüche
  • Hyper- oder Hypoaktivität
  • Dyskalkulie bzw. Legasthenie

 

Die anatomischen Gegebenheiten

Die Kinder- im Vergleich zur Erwachsenenosteopathie unterscheidet sich im Wesentlichen an dem Punkt, dass in der Erwachsenenosteopathie die Mobilisation im Vordergrund steht und in der Kinderosteopathie die Korrektur. Dieses resultiert aus den körperlichen und damit den anatomischen Besonderheiten. Der Erwachsene (osteopatisch) gesehen erst zwischen dem 25 bis 28 Lebensjahr), hat sich in seinem Körper geformt und strukturiert. Babys, Kleinkinder, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind noch dabei sich körperlich zu strukturieren, d.h. der Körper ist z. B. weich, klein und bildet sich noch bzw. ist zum Teil noch in der Verknöcherung begriffen.

Um die Unterschiede deutlich zu machen wähle ich einige Knochen des Hirnschädels zum Vergleich aus.

Das Hinterhauptsbein (Os occipitale) besteht bei der Geburt aus 4 Anteilen. Der Schuppe (Squama), den seitlichen Anteilen (Partes laterales) und der Basis (Pars basilaris). Die erste Verknöcherung entsteht zwischen der Hinterhauptschuppe und den seitlichen Anteilen zwischen dem 2. und 3. Lebensjahr. Die seitlichen Anteile verknöchern mit der Basis im Alter zwischen 5. – 7. Lebensjahr.

Das Keilbein (Os sphenoidale) besteht bei der Geburt aus 3 Anteilen. Den Körper mit den kleinen Keilbeinflügels (Corpus und Ala minores) und zwei Blöcke bestehend aus dem beiden Flügelfortsätzen und den großen Keilbeinflügeln (Proccessus pterygoidei und Ala majores). Der Korpus selbst besteht aus zwei Teilen, dem Prä- und dem Postsphenoid, die im achten Fetalmonat verschmelzen. Die Verknöcherung ist mit dem 1. Lebensjahr abgeschlossen.

Das Schläfenbein (Os temporale) besteht bei der Geburt auch aus 3 Teilen. Der Schuppe (Squama), der Pars tympanica und dem Felsenbein (Pars petrosa). Die Verknöcherung ist mit dem 1. Lebensjahr abgeschlossen. Die Ausbildung des Warzenbeines (Processus mastoideus) geschieht erst mit der Entwicklung der Mobilität des Kindes durch Zugkräfte an dem Knochen durch den Kopfnicker (M. sternocleidomastoideus).

Dieses sollte hier an dieser Stelle zur Verdeutlichung der Unterschiede erst einmal genügen. Ich habe diese Knochen absichtlich ausgewählt, um eine Störung in der Entwicklung verdeutlichen zu können.

Die Geburten werden für uns Frauen immer schwieriger. Die Babys werden immer größer und die medizinischen Eingriffe nehmen zu. Dazu kommt noch das Störungen und Bewegungseinschränkungen im mütterlichen Becken, die Geburt erschweren können. Durch die große Anzahl, der noch nicht ausgebildet Knochen des Hirn- und Gesichtsschädels hat der Kopf eine gute Fähigkeit sich bei der Geburt zusammen zu falten, doch die daraus resultieren Störungen und mögliche Verformungen des Schädels auch.

Das Hinterhauptsbein mit dem Schläfenbein zusammen bilden zwei Durchtrittsstellen rechts und links vom Hinterhauptsloch sowie bilden sie beide zusammen die osteopathische Schädelbasis. Die Durchtrittsstellen sind der Durchlass für eine große Vene (Vena jugularis) und drei Hirnnerven (N. glossopharyngeus, N. vagus, N. accesorius), vereinfacht, der Schlucknerv, Beinerv und Kopfdrehernerv. Das sauerstoffarme Blut fließt zu ca. 90% aus der Vena jugularis vom Hirn zum Herzen hin. Der Schlucknerv versorgt den hinteren Anteil der Zunge, den Rachenraum, die Mandeln und auch die Schleimdrüsen. Der Beinerv ist zum großen Teil am parasympatischen Nervensystem beteiligt. Der Kopfdrehernerv versorgt die Trapezmuskel (M. trapezius) und den Kopfnicker (M. sternoclaidomastoieus).

Bei der Geburt kommt es natürlicherweise zu einem Zusammendrücken des Schädels. Durch den ersten kräftigen Schrei öffnet sich der Schädel wieder. Doch nicht immer gelingt das Öffnen vollständig, so dass Verformungen und Spannungen der Knochen bzw. der knöchernen Platten bestehen bleiben. Das führt dazu das z.B. die eine Durchtrittsstelle kleiner oder größer ist. So entsteht Spannung auf die Vene und die Nerven. Die möglichen Ausdruckformen beim Baby können sein:

  • Spucken wenig bis schwallartig
  • Koliken
  • kontinuierliches Schreien
  • Schieflage des Kopfes
  • Einschränkungen der Beweglichkeit des Kopfes
  • Schielen
  • Unruhe
  • Schlaflosigkeit, häufiges Aufwachen
  • Schreckhaftigkeit
  • motorische Hyper- oder Hypospannung

In der osteopathischen Behandlung wird eine Anamnese mit den Eltern gemacht, ist das Kind älter wird es auch befragt. Bei älteren Kindern wird diese immer erst nur mit den Eltern gemacht und später kommt das Kind hinzu. Danach wird das Baby / Kind mit den Händen untersucht und die Korrekturen je nach Körperregion sanft oder etwas kräftiger ausgeführt.

 

Familiäre Konstellation und Einbeziehung der Familie in der Behandlung

Einer der osteopathischen Grundsätze lautet der Körper / Mensch ist eine Einheit. Diese Einheit beinhaltet auch die Lebens– und Umweltbedingungen. So ist auch die Familie eine Einheit, sie besteht zwar aus einzelnen Menschen wie Großeltern, Vater, Mutter, Geschwister und dem Neugeborenen, die als autonome Personen agieren, doch zusammen sind sie auch eine funktionierende Einheit, die mehr ist als zusammen addiert. Gerade, die Verbindung des Babys in den ersten Lebenswochen, -monaten und jahren ist eine engverbundene mit den Eltern. Im übertragenen Sinne drückt sich das Baby über die Eltern aus und die Eltern über das Baby. Ist das Baby angespannt, sind es auch die Eltern und umgekehrt, wobei die Bandbreite und Ausdrucksform je nach Bildungsstand, Alter, Entwicklung und Bewusstheit der Familie variiert.

So ist es für mich wichtig, die Eltern in die Behandlung, so weit wie es möglich ist, mit einzubeziehen. Ich behandle grundsätzlich die Babys so nah als möglich bei der Mutter oder dem Vater, d.h. das Baby liegt auf dem Arm oder Schoß des anwesenden Elternteils und so untersuche und stimuliere ich das Kind osteopatisch.  Später, wenn das Kind motorisch aktiv ist, sitze ich mit den Kindern spielend auf dem Fußboden, auch hier sind die Eltern mit dabei und ich behandle im Spielen das Kind. Manchmal gehört zu dieser Arbeit auch die Eltern über die Anatomie und die Entwicklungsphasen des Babys aufzuklären, wenn z.B. Fragen gestellt werden oder Unsicherheiten hinsichtlich des Umgangs mit dem Baby bestehen. Die meisten Eltern wissen nicht, dass ihr Kind verschiedene Entwicklungsphasen durchlebt, die auch bestimmte Verhaltensweisen beinhalten, z.B. gibt es eine Phase in der das Kind sehr mundbezogen ist und alles in den Mund steckt von der eigenen Hand angefangen bis zu Dingen. Das Kind erlebt diesen Mundraum als warm, weich und angenehm feucht und es ist für das Kind schön immer wieder auf das Neue mit diesem Raum in Verbindung zu treten. Für manche Eltern ist dieses Verhalten des Kindes „igitt baba“ und sie wollen das Verhalten des Kindes unterbinden. In solchen Situationen benötigen die Eltern Unterstützung um das Verhalten des Kindes und die Notwendigkeit, dass dieses geschehen kann, zu verstehen.

Weiterhin machen wir in der Entwicklung verschieden Phasen durch, in der unterschiedliche Reflexe aktiv sind bzw. aktiviert werden wie auch wieder verschwinden. Es kann geschehen, das Reflexe erhalten bleiben und die weitere Entwicklung behindern oder blockieren. Dieses kann von Lernstörungen bis hin zu vermeintlichen Verhaltensauffälligkeiten führen.

 

Konstitution des Kindes

 In der embryologischen Entwicklung gibt es drei Keimblätter, aus denen heraus wir uns entwickeln. Diese Keimblätter sind verbunden mit bestimmten Körperausformungen und Sinnesqualitäten. Sie heissen Ektoderm – Entwicklung des ZNS und der Haut, Endoderm oder auch Entoderm – Entwicklung der Organe und dem Mesoderm – Entwicklung des Muskelskelettsystem und auch des Bindegewebes. Die Charakterisierung ist hier kurz gefaßt und stilisiert. Oftmals finden wir zwei Hauptkomponenten in der Ausprägung. Kinder, die sehr schlank und empfindsam sind, haben oft die Hauptkomponenten Ektoderm und Mesoderm, also ZNS und Bewegungsapparat. Diese Kinder bewegen sich gerne und reagieren schon auf leichte Anregungen oder Impulse sehr stark. Kinder, die eher rundlich und gemütlich sind, gerne Menschen um sich herumhaben, haben oft die Hauptkomponenten, Endotherm und Ektoderm. Natürliche sind immer alle drei Keimblätter in uns vertreten und selbstverständlichen gibt es auch den Einfluß der Prägung des Zuhauses. Doch ist es wichtig, einen Blick darauf zu werfen und eine Idee zu haben was benötigt dieses Kind und in welche Richtung könnte es sich entwickeln.

Für die osteopathische Behandlung bedeutet es auch, das diese Kinder unterschiedlich Unterstützung benötigen und es für die Eltern wichtig sein kann, was für eine „Art“  Kind sie haben und wie sie es optimal