KÖRPERPSYCHOTHERAPIE

Von der craniosacralen Körpertherapie zur körperorientierten Psychotherapie

In den letzten zwei Jahrhunderten fand eine Annäherung zwischen den reinen Körpertherapien und den geistig-seelischen Heilverfahren statt. Die Verbindung wird psychosomatische oder psychophysische Medizin genannt. Diese Bezeichnungen weisen darauf hin, daß diese Art der Medizin sich mit den Wechselwirkungen zwischen Geist bzw. Seele und dem Körper beschäftigen. Damit wurde akzeptiert, daß der Geist sehr wohl Einfluß auf die verschiedenen Körpersysteme wie z.B. Atmung, Muskulatur oder Immunsystem hat. Zu den Verfahren gehören u.a. die Biofeedback-Methode für streßbezogene Beschwerden und mentale Techniken zur Stärkung des Immunsystems. Diese Erkenntnis, daß Körper und Geist/Seele sich gegenseitig beeinflussen, wird auch durch die herkömmliche Medizin und Psychotherapie als wichtig anerkannt.

In der Medizin entstand ein neues Fachgebiet, die Psychoneurologie. Sie beschäftigt sich damit, wie der Geist auf dem Weg über das Nervensystem auf das Immunsystem wirkt. Simonton und Achterberg z.B. entwickelten eine spezielle Therapie zur Krebsheilung. Ein Teil dieser Therapie besteht aus Visualisationsübungen in denen das Immunsystem angeregt wird, die Krebszellen zu reduzieren und zu vernichten. Beide brachten die konventionelle Medizin und Psychotherapie mit großen Heilerfolgen zum Staunen. Weitere Forschungen gibt es im Bereich der Depressionen und dem Zusammenhang zum Immunsystem.

Die oben beschriebene Annäherung findet auch im Rahmen der reinen Körpertherapien statt. Zu den bekanntesten Fachgebieten gehören die Osteopathie, die Chiropraktik, die Physiotherapie, die Massage und die Krankenpflege. Eine Erweiterung stellen die Therapien dar, in denen auch körperbezogen behandelt wird. Zu diesen zählen die Ergotherapie, das Rolfing, die Polaritätstherapie, Feldenkrais, Yoga, Hellerarbeit, Hakomi, Alexandertechnik und die angewandte Kinesiologie, um nur einige zu nennen. Körpertherapeuten nähern sich dem Geist und der Seele vom Körper her an. Sie sollten an der Wirkung des Körpers auf die Gesundung der Seele interessiert sein. Leider wird dieser Aspekt oft vernachlässigt und die Herstellung der Funktionalität des Körpers steht im Vordergrund.

Der gemeinsame Nenner aller Körpertherapien, egal welcher Art, ist die Berührung. Wir werden durch Berührung gezeugt, geboren und geformt. Sie ist unsere erste Sprache. Als NeugeboreneR ist sie unser wichtigstes Mittel zum Verstehen der Welt. In diesem Seinszustand sind wir noch eins mit dem Körper und dem Geistig-Seelischen. Der Geist zeichnet auf, was der Körper erlebt und der Körper speichert, was der Geist aufzeichnet. Später differenzieren wir uns über die Sinne. Diese Differenzierung geht soweit, daß wir Teile unseres Bewußtseins und Körpererlebens abzuspalten versuchen und als nicht zu uns gehörig zu erklären. Das tritt vor allem dann auf, wenn wir mit Erfahrungen konfrontiert sind, die wir schlecht verdauen können (oftmals im wortwörtlichen Sinne). Diese Abspaltung dient primär dem Überleben. Später können für uns Erwachsene die kindlichen Überlebensstrategien zur Falle werden. Sie schränken die Kreativität ein, behindern die Entwicklung von Problemlösungsstrategien im Alltag und können zu Erkrankungen führen. Durch die Berührung wird jedoch der Zugang zur Erinnerungs-Datenbank (1) des Geistes und zum Speicher (1) des Körpers aktiviert, und eine Integration ist möglich. Wunden und Verletzungen können heilen. Deshalb ist der wichtigste Teil in der körpertherapeutischen Arbeit, sich auch als Therapeut berühren zu lassen. In der Berührung und im Berührtwerden liegt die Stärke des therapeutischen Rapports. Sie stellt die Verbindung her und ist der zentrale Aspekt des Heilens.

Der italienische Psychiater Assagioli schuf den Begriff der Psychosynthese (psyche=Seele und synthesis=Integration von getrennten Elementen). Der Begriff Somatosynthese stellt eine Erweiterung dar: Der Körper ist für den Heilungsprozeß von Bedeutung. Das ist die These. Dem gegenüber steht die Wichtigkeit des Geistig-Seelischen. Das ist die Antithese. Die Synthese ist der Bereich in dem beide Elemente zu einem Ganzen zusammenfließen und etwas Neues erschaffen. Synthese ist das Gegenteil von Analyse (ana=auf und lysis=Lösung, Trennung). In der Psychoanalyse wie sie Freudentwickelte, geht es um das Zerlegen des Ganzen in seine einzelnen Bestandteile. Assagioli schuf den Begriff der Psychosynthese als Gegenpol dazu. Er war der Meinung, daß zuviel Gewicht auf die Zerlegung der Psyche in ihre einzelnen Elemente gelegt wurde und damit auf die Identifikation und die Behandlung eines erkrankten Elementes. Nach seiner Meinung gibt es ein isoliertes menschliches Problem nicht. Die gleiche Zerlegung fand in der Medizin statt. Ein körperliches Symptom wird zum Zeichen für den Krankheitsprozeß und isoliert behandelt. Daß der Mensch sich über das körperliche Symptom ausdrückt und etwas zur Sprache bringen will, wofür ihm erst einmal die Worte fehlen, ist eher eine moderne Einsicht. Die Konsequenz ist eine veränderte Sicht- und Behandlungsweise von Mensch und Krankheit.


Lit.:(1) Wo Körper und Seele sich begegnen. Somatosynthese - ein neuer Weg der Heilung.Seite 29. Clyde W. Ford. Verlag für Angewandte Kiseniologie, Freiburg. ISBN 3-924077-22-3