FRIEDRICH SALOMON PERLS, EINE KURZBIOGRAPHIE

Friedrich Salomon Perls wurde am 08.07.1893 als drittes Kind und einziger Sohn einer jüdischen Familie in Berlin geboren. Sein Vater, ein Weinhändler, nahm innerhalb der Familie eine patriarchische Stellung ein. Seine Mutter, die aus einer traditionsbewußten jüdischen Familie stammte, trug und sorgte für die geistig-kulturelle Entwicklung der Familie. Die Beziehung zu seinem Vater gestaltete sich schwierig. Auf der einen Seite bewunderte er ihn, auf der anderen lehnte er ihn aufgrund seiner moralischen Doppelbödigkeit ab. Als Schüler war er begabt und brachte ausgezeichnete Leistungen, jedoch wurde er auch als schwierig beschrieben. Sein Vater nahm ihn aus der Schule als er unter einer antisemitistischen Lehrerin litt.

Als Jugendlicher quälten ihn Onanieprobleme, da er Angst hatte, sich nervlich geschädigt zu haben. Sein erstes Taschengeld verdiente er als Statist, und später übernahm er kleinere Rollen. Seine künstlerische Ader entwickelte er in seiner Studienzeit. Er zeichnete, malte, dichtete und hielt sich am liebsten in Künstlerkreisen auf.

1916 ging er als Medizinstudent in den ersten Weltkrieg, schloß 1921, nach dem Ende des Krieges, sein Studium als Dr. med. ab und eröffnete eine Praxis. Bedingt durch die schwieriger werdende Situation in Berlin, ging er 1923 für ein Jahr nach New York, konnte sich dort aber nicht niederlassen, weil sein Studium nicht anerkannt wurde. Geprägt wurde seine Entwicklung in der nachfolgenden Zeit durch den Philosophen und Schriftsteller S. Friedländer.

Perls begann 1925 eine psychoanalytische Ausbildung und Lehranalyse bei Karen Horney. 1926 zog er nach Frankfurt und arbeitete als Assistent mehrere Monate mit dem Neurophysiologen Kurt Goldstein zusammen. Goldstein versuchte die ganzheitlich- und gestalttheoretischen Erkenntnisse in seine biologische und physiologische Forschungsarbeit zu integrieren. In dieser Zeit lernte Perls seine zukünftige Frau, Lore Posner, die Psychologie studierte und die er 1930 heiratete, kennen. Bei A. Gelb, der mit Goldstein eng zusammenarbeitete, promovierte sie in Gestaltpsychologie. In den folgenden Jahren fand eine intensive Auseinandersetzung mit den Philosophen Buber und Tillich statt, aber auch mit Analytikern wie P. Federn und W. Reich.

1931 wurde ihre Tochter Renate geboren und 1935 der Sohn Stephan. 1933 emigrierte die Familie nach Amsterdam und wanderte von dort im Dezember 1933 nach Südafrika aus. 1936 kam es zu einer tiefen Krise bei Perls. Die Auslöser waren zum einem sein reserviert aufgenommener Vortrag über orale Widerstände auf dem internationalen Kongreß für Psychoanalyse in Karlsbad, zum anderen die Begegnung mit dem schwerkranken S. Freud. Er arbeitete danach mit seiner Frau an einer wissenschaftstheoretischen Neufundierung der Psychoanalyse. Philosophische Ansätze und Gedankengut von Buber, Tillich, Scheler, Heidegger, Husserl, Satre und besonders von Friedländer bildeten die Grundlage. 1942 erschien in Südafrika und 1946 in London sein Buch „Ego, Hunger uns Aggression„, das den Untertitel „A Revision of Freudian Analysis, a seperation from Freud.“ trug. Die umfangreiche Mitarbeit seiner Frau bei der Erstellung des Buches blieb unbekannt, da sie namentlich nicht erwähnt wurde.

Nach dem Rücktritt von Ministerpräsidenten Jan Smuts eskalierte die Apartheid- und Rassenpolitik in Südafrika. Außerdem wurde F. Perls Anerkennung als Psychoanalytiker von der International Association of Psychoanalysiszurückgezogen, da er seine Analyse nicht abgeschlossen hatte und nur in Europa Analytiker ausgebildet wurden. So entschlossen sich beide nach Amerika auszuwandern. Sie erhielten nach sechsmonatigem Aufenthalt in Montreal eine Einreisegenehmigung. Er eröffnete eine Praxis, die bereits innerhalb von drei Wochen gut angenommen wurde. Perlswurde von der Washington Psychatrist School eine Stelle als Lehranalytiker angeboten, jedoch unter der Bedingung, daß er sein medizinischer Doktorat nochmals ablegt. Er lehnte ab. In dieser Zeit waren Fromm, Karen Horney und Clara Thompson eine große Hilfe bei der Bewältigung der neuen Lebenssituation. Zwischen 1947 und 1949 traf Perls mehrmals den Wiener Jakob Moreno, den Begründer des Psychodramas. Er übernahm zahlreiche Anregungen, wie den Rollentausch, die Technik des leeren Stuhls und das Monodrama von Moreno.

Für die Entwicklung der Gestalttherapie war die Zusammenarbeit mit Paul Goodman von entscheidender Bedeutung. In den Jahren 1948 bis 1950 wurde gemeinsam an der theoretischen Grundlage der Gestalttherapie gearbeitet. 1951 erschien das Ergebnis in einem Buch. 1952 gründeten Lore und Friedrich Perls, mit Paul Goodman, Paul Weiss, Elliott Shapirou.a. das New York Institut for Gestalt Therapy. 1954 folgte das Institut in Cleveland.

F. Perls war immer auf der Suche nach Neuem, aber auch nach Integration seines Lebens. Mit 67 Jahren, gefangen in einer Lebenskrise, trat er eine Weltreise an, die ihn vor allem nach Japan und Israel führte. Sein Aufenthalt in Zen-Klöstern und eine beglückende Kibbuzerfahrung ließen ihn seine Krankheit überwinden und seine Ruhe finden.

1964 fand er seine Heimat im Esalen Institut in Big Sur, Kalifornien. Er gründete 1969 am Lake Cowichan in Kanada einen Gestaltkibbuz. Die McCarthy-Administration, die in ihm die Angst vor einem Faschismus in den USA entstehen ließ, motivierte seine Arbeit in Kanada.

Der religiöser Hintergrund

Bedingt durch die jüdische Erziehung und das patriarchaisch-autoritäre Auftreten seines Vaters war sein Verständnis für Therapie besonders durch eine nonkonformistische, gegen autoritäre und dogmatische Strukturen rebellierende Haltung geprägt.

Das Erlöserthema seiner Religion schien immer wieder durch. Petzold wies daraufhin, daß die Tendenz zur Orthodoxie, zu Liberalismus oder der Versuch, selbst ein politischer oder therapeutischer Heilsbringer und Erlöser zu werden, als Versuch eingeordnet werden kann, mit der enttäuschten Messiashoffnung fertig zu werden.

Die religiösen Wurzeln im Perlschen Therapieverständnis werden auch sichtbar in dem Satz: „To suffer one’s death and to be reborn is not easy.“ Das Ziel seiner therapeutischen Arbeit sah F. Perls in lebendigeren Menschen, die zu größerer Teilnahme an der Bewußtheit des Universums bzw. an der grundlegenden, kreativen Energie des Universums befähigt werden. Weiter formulierte er in einem Interview: „Meine Phantasie über das Universum ist, daß es ein Bewußtseinsprozeß ist, der in der Theologie ausgedrückt wird, indem man Gott die Attribute der Unendlichkeit, der Ewigkeit und der Allwissenheit gibt. Mit anderen Worten: Ich glaube, daß das Universum Ausdehnung, Dauer und Bewußtsein hat.“

Perls Begegnung und Auseinandersetzung mit den fernöstlichen Religionen, vor allem mit dem Zen-Buddhismus und dem Taoismus, fand ihren Ausdruck in der zentralen Bedeutung des Awareness-Konzeptes in der Gestalttherapie. Die religiösen Wege zum „großen Erwachen“ und das Ziel der „Erleuchtung“ gaben seinem Suchen nach einem Menschenbild Orientierung. Es faszinierte ihn vor allem die Weisheit und die Freiheit von moralischen Wertungen. Außerdem war er auf der Suche nach einer praktikablen Methode den Menschen der westlichen Welt die Möglichkeit der Selbsttranszendenz zugänglich zu machen.